Seidel, Wolfgang |
Alleen in Herten
- Ein Heimatkompass -
Es gibt zwar zwei Schlösser in Herten, aber dennoch keine Schlossallee, zumindest keine Straße dieser Bezeichnung. Schade! Hätte doch dieser Beitrag sonst die Bezeichnung tragen können: „Von der Schlossallee zur Allee des Wandels“. Letztere gibt es, zumindest als Bezeichnung eines fast 10 km langen Radwanderweges zwischen Westerholt und dem Landschaftspark Hoheward.
Alleen als ein vom Menschen geschaffenes und inszeniertes Landschaftselement sind seit Jahrhunderten zur Betonung des Lebensraumes und zur Orientierung in der Landschaft errichtet worden. Wenn wir heute die Allee vornehmlich und zunächst verbinden mit einer baumbestandenen Achse, die auf ein herrschaftliches Anwesen, ein Schloss, zuführt, dann nicht von ungefähr. Denn die erste Hochphase der Anlage von Alleen war das Barock und der Wunsch absolutistischer Herrscher dieser Zeit, ihren Besitz zu „markieren“.
Und so wurden die wichtigsten Wege in der Zuführung zum Herrschaftssitz oder – umgekehrt – in der Hineinführung in die Landschaft mit einer regelmäßigen Baumreihe bepflanzt, also als Achse für jedermann klar erkennbar und zuzuordnen. Sie wurden zu Schlossalleen.
Alte Stiche, gezeichnet von Renier Roidkin um 1730, zeugen auch für das Schloss Herten von der Existenz derartiger Alleen.
Seit dieser Zeit hat sich der Bestand an Alleebäumen am und um das Schloss Herten herum mehrfach gewandelt, aber bis heute sind Teile dieser Achsen im Schlosspark erkennbar und werden auch in der gärtnerischen Pflege und Entwicklung regelmäßig erneuert, wenn auch mit anderen Baumarten.Ein junges Beispiel dafür ist die Wegeachse von den Schlossteichen in den südlich angrenzenden Schlosswald – früher eine vermutlich bis zum Schloss Strünkede in Herne durchgehende, als Allee ausgebildete Achse.
Wenn sich heute auch keine Assoziationen an feudalistische Herrschaftsstrukturen mehr damit bei den Menschen verbinden, geblieben ist die Identität des Ortes durch die Allee.
Aus der planvollen Anlage von Städten und Stadtteilen ist die Allee seit dieser Zeit nicht mehr wegzudenken und findet sich bei der Gestaltung von Chausseen und markanten Straßen, Promenaden und Plätzen. Sie wird zu einem wesentlichen Bestandteil von Natur in gestalteter Stadtlandschaft und ist bis heute Gegenstand der Stadtentwicklung durch Neuanlage, Pflege und Sicherung von Alleen und markanten Straßenbäumen.
Auch in Herten prägen Alleen an zahlreichen Straßen und Wegen das Stadtbild und sind so etwas wie ein Kompass durch die Stadt.
Besonders präsent sind sie heute noch in den ehemaligen Zechensiedlungen, z.B. der Gertrudenau, in der Innenstadt z.B. an der Hospitalstraße. Aber auch der Ring um die Innenstadt – Kurt-Schumacher-Straße – Theodor-Heuss-Straße – Konrad-Adenauer-Straße – ist bepflanzt mit Alleebäumen. Typischerweise ist auch der neue Zugang vom Rathaus in den Schlosspark als „Baumtreppe“ (-allee) ausgebildet worden und auch die Achsen im Zukunftsstandort Ewald haben einen alleeartigen Charakter erhalten.
Hinzu kommt die Allee in der freien Landschaft als Verbindung zwischen Orten, kleinen Siedlungen und Gehöften. Hier ist es mehr die Orientierung in der Landschaft, der Schutz von Mensch und Landschaft und die Nutzung der Früchte, die die Anlage von Baumreihen entlang von Straßen und Wegen in der Vergangenheit befördert haben. Vor allem in der Ried lässt sich diese Geschichte noch heute ablesen.
Eines ist all diesen Alleen und Baumreihen gemeinsam: sie charakterisieren einen Ort, schaffen Identität und Verbundenheit, sind einerseits also Teil der Heimat und vermitteln andererseits Kontinuität.
Die „Allee des Wandels“ als jüngste Form der Allee in Herten greift nun diese Bilder und Metaphern auf, setzt an Stelle der Bäume aber andere Markierungen, nämlich Orte des Wandels, aufgereiht wie Bäume, Orte wie die ehemaligen Bergbauflächen Westerholt, Schlägel&Eisen und Ewald, auf denen die Zukunftsfähigkeit der Stadt wesentlich gestaltet wird und so in Zukunft eine neue Identität und Heimat erlebt werden kann.
(Abb. 3 – 9: Fotos Wolfgang Seidel)
Vita
Kunst im öffentlichen Raum leistet einen wichtigen Beitrag zu einer humaneren und ästhetischeren Lebenswelt.
Im Jahr 2011 war ich Mitinitiator und -begründer der Initiative STADT.KUNST in Herten. Seitdem bin ich einer ihrer Sprecher. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Kunst im öffentlichen Raum in der Stadt Herten und ihrer Umgebung stärker im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern und ihr zu einer besseren Wahrnehmung zu verhelfen. Auch die Förderung der Kunst im öffentlichen Raum durch eigene Projekte liegt der Initiative sehr am Herzen. 2016 – 2019 hat die Initiative vier temporäre Kunstprojekte in Herten umgesetzt.
In meiner beruflichen Tätigkeit als Stadtplaner – zuletzt von 2000 – 2010 in der Stadtverwaltung in Herten als Fachbereichsleiter für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung – gab es immer eine enge Berührung zur Kunst im öffentlichen Raum. Mit dieser Arbeit in Herten verbunden ist z.B. die Kunstachse „Burgenland“ (2010), die „Fotopromenade Landschaftspark Emscherbruch“(2006) und die Aufführung „Der dritte Horizont“ im Landschaftspark (2004).
Neben der Kunst sind die Fotografie und das Reisen meine große Leidenschaft.
Wenn auch in Haltern am See wohnend bin ich u.a. über die Initiative STADT.KUNST der Stadt Herten weiter verbunden.